No. 16 Begegnung

Begegnung

Zu solchen Stunden gehn wir also hin
und gehen jahrelang zu solchen Stunden:
auf einmal ist ein Horchender gefunden,
und alle Worte haben Sinn.

Alle Gebärden sind auf einmal gross
und ausgewachsen wie ein Flügelschlagen,
sie scheinen uns einander zuzutragen,
und wir sind noch vom Fluge atemlos, –
wenn schon das Schweigen kommt, auf das wir warten,
kommt wie die Nacht, von grossen Sternen breit:
zwei Menschen wachsen wie im selben Garten,
und dieser Garten ist nicht in der Zeit.

Das erste Wort wird beide wieder trennen,
ein jeder ist, mehr als vorher, allein;
sie werden lächeln und sich kaum erkennen,
aber sie werden beide grösser sein.


Das Jetzt festhalten und loslassen

Im Hier und Jetzt zu leben hat für mich eine tiefe Bedeutung – und doch stellt es mich immer wieder vor Herausforderungen. Wir erzählen die Geschichten der Vergangenheit und träumen von den Möglichkeiten der Zukunft. Dabei wird das Hier und Jetzt unwiderruflich zum Teil des Morgens, und das Morgen schliesslich zum Teil des Gestern.

Momente der Ruhe und des Glücks finde ich besonders dann, wenn ich allein bin. Diese Augenblicke ermöglichen es mir, innezuhalten, Dankbarkeit zu empfinden und mich ganz in Zufriedenheit zu verlieren. Doch auch in Gesellschaft gelingt es mir, den Moment zu geniessen – selbst bei spontanen Begegnungen. In solchen Situationen schalte ich bewusst meinen Verstand aus, öffne mein Herz und nehme die positiven Energien um mich herum auf – oft so intensiv, dass mir vor Freude eine Träne über die Wange läuft.

Aus solchen Momenten entstehen nicht selten Bilder für meine Kunstprojekte – Porträts, die die Tiefe und Authentizität der Begegnung einfangen. Doch manchmal lasse ich die Kamera bewusst beiseite, um den Moment in seiner ganzen Unmittelbarkeit zu erleben. Das kann ich zwar später bereuen, wenn keine bleibenden Erinnerungen entstanden sind, aber der reine Augenblick fühlt sich oft so wertvoll an, dass ich diesen Kompromiss eingehe.

Bei besonderen Anlässen wie Geburtstagsfeiern oder einem Sommertag am Meer halte ich die Momente dennoch gerne für meine Familie und Freunde fest. Es sind meist spontane, ungezwungene Schnappschüsse. Gelegentlich bin auch ich selbst auf einem Bild zu sehen – meist in einem inszenierten Rahmen. Doch lieber ein gestelltes Foto, als später durch die Bilder zu blättern und das Gefühl zu haben, nie wirklich dabei gewesen zu sein.

“Während des Einkaufs sprach ich sie spontan an und fragte, ob sie Interesse hätte, bei meinem Projekt "Wortmalereien" mitzuwirken. Zu meiner Freude sagte sie zu, und wir entschieden uns, uns bei einem Kaffee näher kennenzulernen. Am Nachmittag trafen wir uns schliesslich bei ihr zu Hause, wo diese Bilder entstanden sind.”

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No. 12.1 Der Lesende

Der Lesende

Ich las schon lang. Seit dieser Nachmittag,
mit Regen rauschend, an den Fenstern lag.
Vom Winde draussen hörte ich nichts mehr:
mein Buch war schwer.
Ich sah ihm in die Blätter wie in Mienen,
die dunkel werden von Nachdenklichkeit,
und um mein Lesen staute sich die Zeit. -
Auf einmal sind die Seiten überschienen,
und statt der bangen Wortverworrenheit
steht: Abend, Abend... überall auf ihnen.
Ich schau noch nicht hinaus, und doch zerreissen
die langen Zeilen, und die Worte rollen
von ihren Fäden fort, wohin sie wollen...
Da weiss ich es: über den übervollen
glänzenden Gärten sind die Himmel weit;
die Sonne hat noch einmal kommen sollen. -
Und jetzt wird Sommernacht, soweit man sieht:
zu wenig Gruppen stellt sich das Verstreute,
dunkel, auf langen Wegen, gehn die Leute,
und seltsam weit, als ob es mehr bedeute,
hört man das Wenige, das noch geschieht.

Und wenn ich jetzt vom Buch die Augen hebe,
wird nichts befremdlich sein und alles gross.
Dort draussen ist, was ich hier drinnen lebe,
und hier und dort ist alles grenzenlos;
nur dass ich mich noch mehr damit verwebe,
wenn meine Blicke an die Dinge passen
und an die ernste Einfachheit der Massen, -
da wächst die Erde über sich hinaus.
Den ganzen Himmel scheint sie zu umfassen:
der erste Stern ist wie das letzte Haus.

Die verlorene Besinnlichkeit

Man verpasst es, unbemerkt. Diese Besinnlichkeit, das Runterkommen und mal nicht Rumwuseln, das Einkuscheln in eine Decke mit einer Kanne Tee und in einem Buch lesen, das In-die-Luft-gucken und einfach glücklich sein. Aufwachen und feststellen, dass die Zeit viel zu schnell vergeht zwischen unausgeschlafen Arbeit und totmüde ins Bett fallen, aufwachen und trotzdem weiterschlafen innendrin, nur zwischendurch mal die Augen aufmachen, wenn dir das Herz aufgeht für ein paar Stunden oder ein paar Minuten, plop, wie eine Flasche Wein und dann schnell daraus trinken so viel nur geht, bevor es sich leise mit einem Ziehen in der Brust wieder schliesst.

Am Rande der Nacht I

Ein neues Bild

Anfangs las ich widerwillig, doch bald konnte ich nicht mehr aufhören, wie bei einem Buch, das man erst liest, weil man es muss, und das einen plötzlich packt.

Ich hatte ein neues Bild gemalt. Es war das erste Werk, das ich unten rechts signierte, und ich stellte es im Shop ein. Nach drei Tagen wurde es von einer Käuferin erworben. Ich machte noch ein Foto davon, schlug es vorsichtig in Papier ein und brachte es zur Post.

Vier Wochen später fand ich in meinem Postfach eine vorsichtige Nachricht, die sich las wie ein leises Anklopfen an einer Tür, von der man nicht weiss, was sich dahinter verbirgt. Sie fragte, ob sie mir schreiben dürfe. Ich war unschlüssig, was ich antworten sollte, und schrieb schliesslich: Ja. Als ich am Abend nach Hause kam, fand ich eine neue Nachricht von ihr vor.

„Darf ich dir erzählen, was mir durch den Kopf geht, wenn ich das Bild sehe? Warum ich es unbedingt haben musste?“

Ich wollte ihr den Spass nicht verderben, tippte ein kurzes Ja und klickte die Nachricht weg. Ich war gerade ausreichend beschäftigt und hatte nicht die Musse, mich tiefer damit zu befassen. Wochenlang hörte ich nichts mehr von ihr. Dann kam eine neue Nachricht. Diesmal war sie mehrere Seiten lang. Sie schrieb von dem Bild, von erfüllten Wünschen, von Ideen, die sie abgehakt hatte, und von durchkreuzten Plänen. Von Hunger und Sehnsüchten. Von Farben, Hass, Wut, Trauer und vielen Gefühlen. Mit erbarmungsloser Offenheit.

Anfangs las ich widerwillig, doch bald konnte ich nicht mehr aufhören, wie bei einem Buch, das man erst liest, weil man es muss, und das einen plötzlich packt. Die Nachricht liess mich fassungslos zurück. Aber ich konnte ihr nicht antworten. Drei Wochen lang war ich danach damit beschäftigt, alles neu zu ordnen. Dann antwortete ich.

Die Monate vergingen, und bald schrieben wir uns schon ein Jahr lang. Unsere Leben waren wie ein Riesenrad, das sich immer weiter drehte: Wir stiegen ein und aus, doch kurz darauf stiegen wir immer wieder ein, auf eine neue Fahrt mit der Hoffnung auf eine neue Aussicht. Oft fehlte uns das Geld für Fahrkarten, also fuhren wir schwarz und zitterten nervös, dass niemand es bemerken würde. Wir standen an den Fenstern der Gondeln, sahen nach draussen und blickten lange auf den Horizont. Manchmal erzählten wir einander von der Aussicht, die doch immer die gleiche war und sich doch mit den Tages- und Jahreszeiten veränderte.

Das Jahr ging zu Ende und der Frühling nahte. Sie hatte Urlaub. Ich auch.

Die Strassenbeleuchtung erlosch gerade, als ich mich früh morgens in den Zug setzte. Allein drei Nachtigallen in einem Baum machen noch keinen Frühling, doch eine Ahnung vom Ende des Winters hing in der Morgendämmerung zwischen zwei Strassenzügen. Nach zwei Stunden stand ich vor einem hässlichen, ockergelben Hochhaus, das nur die Morgensonne in ein schönes Licht tauchen konnte. Ich stieg zwei Stufen zum Eingang hoch und läutete an der Haustür. Ein Summen ertönte, ich drückte und ging langsam die Stufen hinauf. Sie wohnte im zweiten Stock.

Sie stand schon in der Tür und war hübscher als auf den Handyfotos. Ich beobachtete ihre Mimik. Für einen winzigen Augenblick erkannte ich eine Irritation in ihrem Blick, sie sah mich noch einmal an. Eine kleine Enttäuschung lag zwischen uns auf der Fussmatte. Wie einen alten Schuh trat sie sie mit einer Fussbewegung zur Seite, bat mich herein, hängte meine Jacke an die Garderobe, goss Kaffee in zwei Becher und setzte sich zu mir an den Küchentisch. Und dann redeten wir. Redeten, redeten, redeten.

Diese Vertrautheit in der Fremde. Diese Verwirrung, jemanden zu sehen, eine Unbekannte, deren Innerstes man so gut kennt. Ich versuchte, alles, was ich aus ihren Nachrichten und den Telefonaten mit ihr wusste, zusammen mit ihrer Mimik, ihren Gesten, ihren Bewegungen, ihrem Körper, zu einem Bild zusammenzufügen. Ich hatte ein Kratzen im Hals, wenn ich schluckte.

Heute schreiben wir uns immer noch regelmässig. Sie ist verheiratet und hat ein Kind und erzählt mir von Zeit zu Zeit ihre Lebenserlebnisse.

 

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No. 12 Und du warst schön

Und du warst schön


Und du warst schön. In deinem Auge schien

sich Nacht und Sonne sieghaft zu versöhnen.

Und Hoheit hüllte wie ein Hermelin

dich ein: So kam dich meine Liebe krönen.

Und meine nächteblasse Sehnsucht stand,

weissbindig wie der Vesta Priesterin,

an deines Seelentempels Säulenrand

und streute lächelnd weisse Blüten hin.

Die Flucht in die Nacht

Draussen ist es eiskalt und es regnet, die Luft im Raum ist schwer. Die letzte Milchflasche steht leer auf dem Boden neben dem Bett. Als wir erwachen, blinzeln wir ins Licht. Der Morgen ist zu hell für unsere Augen. Wenn wir die Augen beim Küssen schliessen, wie sollten wir dann das Morgenlicht ertragen können? Wir sind träge, unsere Körper schwer von der Nacht, wir bewegen uns wie Katzen und schleichen langsam durch die Räume. Wir sind nicht für das Drinnen gemacht. Wir müssen durch die Strassen ziehen, durch Gassen streunen, uns verstecken, wo uns niemand finden kann. Irgendwann werden wir an einem Ort ankommen, den ausser uns niemand kennt. Von dort aus werden wir die Stadt von oben sehen, Kaffee trinken und zwischen Zucker und Milch über die Welt reden. Noch einmal werden wir uns fragen, was wir mitnehmen, wenn sie untergeht. Und wir werden uns wundern, warum immer das, was wir am meisten lieben, vergeht. Und wir werden schweigen. Kein Wort verlieren über das, was uns zusammenhält. Wir, die wir uns verkleidet haben, damit niemand unsere Mission bemerkt. Die wir bei Tag ein Leben führen wie alle anderen und verheimlichen, was uns in Wahrheit antreibt.

Denn du wirst deine Jacke unter deinem roten Pullover tragen, und ich werde meine Ohren unter einer grossen schwarzen Kappe verstecken. Wir werden uns über unsere Tassenränder hinweg zunicken, denn nur wir wissen, was niemand erfahren darf: Wir sind nicht hier, um zu lieben. Nicht, um zu leiden, und nicht, um zu sehnen. Irgendwann wird es Nacht sein und die Dunkelheit wird uns umfangen. Wir werden auf die Stadt blicken, die unter uns im Nebel versinkt. Dann wirst du mich ansehen, und ich werde das Leuchten in deinen Augen sehen, wenn du sagst:

„Du bist Teil der Nacht, genau wie ich. Wir haben keine Angst vor der Dunkelheit. Denn die Nacht hält uns am Leben.“

Du wirst an der Brüstung stehen, ich werde an der Wand lehnen, dein Profil betrachten und nachdenken. Dann werde ich noch einmal hinunterblicken, wo nur noch wenige Autos Lichtstreifen über die Strassen ziehen. Wo sich kaum ein Mensch mehr nach draussen verirrt. Ich werde an den Häusern vorbei zum Horizont sehen und wieder daran denken, dass ich immer einen Meter weiter sehen wollte als alle anderen. Dann werde ich dich an der Schulter antippen und sagen:

„Lass uns gehen.“

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Pause Urs Pause Urs

Abschied

In den letzten Wochen musste ich aus gesundheitlichen Gründen eine kreative Pause einlegen, zudem habe ich den Verlust meines Vaters verkraften müssen. Es war eine herausfordernde Zeit, doch ich blicke nach vorne und freue mich darauf, in den nächsten Tagen mein Jahresprojekt wieder aufnehmen zu können.

Ich möchte euch von Herzen für eure Unterstützung und Anteilnahme in dieser Phase danken – das hat mir unglaublich viel bedeutet.

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No. 11 Die Welt, die monden ist

Die Welt, die monden ist

Vergiss, vergiss, und lass uns jetzt nur dies

erleben, wie die Sterne durch geklärten

Nachthimmel dringen, wie der Mond die Gärten

voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wie's

spiegelnder wird im Dunkeln; wie ein Schein

entsteht, ein weisser Schatten in dem Glanz

der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz

hinübertreten in die Welt hinein

die monden ist.

Der Kampf um Zeit

Fünf Stunden Schlaf sind genug, fünf Stunden Schlaf müssen genug sein. Nacht für Nacht, wenn du noch Zeit für das Leben haben willst. Mein Tag bräuchte 36 Stunden in diesen stressigen Wochen, in denen man mit allem jongliert und gelegentlich strauchelt. Das Leben ist keine Wellnessfarm und hat hin und wieder Eier aus Stahl, reintreten bringt nichts, du brichst dir nur die Zehen dabei. Durchhalten, weitermachen und ein bisschen in die Kamera grinsen. Sich auf Dinge freuen, als wäre Weihnachten nicht gerade erst vorbei. Im Atelier einschlafen mit offenen Augen, bis dich dein eigenes Schnarchen weckt. Scheiss auf das Bild, scheiss auf den Text - dein Glück hängt nicht an diesen Dingen. Fünf Stunden Schlaf sind genug im Tausch für das Ich.

"Nach der Erstellung der Karte 'Einsamkeit' wurde mir bewusst, dass ich emotional stark angeschlagen war. Daher verordnete ich mir selbst eine Art soziale Rehabilitation und besuchte zusammen mit meiner Frau und guten Freunden ein Museum, auch um neue Inspirationen zu sammeln. Man kann im Leben nicht zurück, aber ich hatte das starke Bedürfnis, ein bestimmtes Gefühl zurückzugewinnen. Dieses Gefühl hat sich mittlerweile manifestiert."

Ich habe den folgenden Text einige Tage nach dem Gespräch verfasst, um die Emotionen aus meiner Seele zu schreiben.

Am Ufer der Emme – Ein innerer Aufschrei

“Ich stehe direkt am Ufer der Emme, dort, wo sich das Wasser schlängelt. Kleine Wellen rollen aus dem Nichts heran. Es scheint, als könnte man sie leicht zurückdrängen. Ein wenig weisser Schaum bleibt, doch er vergeht schnell. Einige Vögel ziehen ihre Kreise und schreien. Die Bise weht kräftig. Der Duft des Emmenwassers steigt aus den Wellen empor. Die Sonne wird bald verschwinden. Ich friere ein wenig, denn es ist nun fast dunkel. Hinter den Sandsteinfelsen am nordwestlichen Horizont verblasst der letzte Rest des cremefarbenen Himmels. Ich sitze auf einem dieser dicken, rauen Steine.

Es ist angenehm hier. Ja, angenehm ist es auf jeden Fall. Ich nicke und schliesse meine Augen. Ich atme tief ein, öffne dann wieder die Augen und schaue.

Ein dunkler Horizont verbreitet Langeweile von Norden nach Westen. Ödnis kriecht an meinen Zehen empor. Ich sitze auf hartem Stein, meine Füsse sind schon eingeschlafen. Lichter aus den Häusern dringen ins Wasser und ertrinken in der Emme. Ein übler Geruch dringt in meinen Körper – es riecht nach Verwesung. Kleine, arrogante Wellen säuseln ans Ufer, und ich möchte ihnen ins Gesicht schlagen.

Ich bin voller Frust. Ich nehme etwas und zerschmettere es an einem Felsen.”

Und ich habe nach dem Museumsbesuch und den vielen Eindrücken und Gesprächen weitergemacht. Trotz der oben genannten Aussage "Scheiss auf das Bild" entstand ein Bild, inspiriert vom Gedicht und den Bildern im Museum.

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No. 9 Vom Abschiednehmen

Vom Abschiednehmen

So lass uns Abschied nehmen wie zwei Sterne,
durch jenes Übermass von Nacht getrennt,
das eine Nähe ist, die sich an Ferne
erprobt und an dem Fernsten sich erkennt.

Ein flüchtiger Kuss der Nacht

Ein Vorsatz, der noch vor dem Neuen Jahr gebrochen wird; du sagst, dass du dich zurückhalten kannst, und diese vier Worte sind mein Silvesterwunder. Mein eigener Vorsatz steht aufrecht im Raum. Immerhin ein eingehaltenes Vorhaben, immerhin ein Kuss in den Nacken, immerhin du und dein manchmal sparsames Lächeln, das durch einen seltsamen Nebel leuchtet und mehr aus den Augen strahlt als von irgendwo sonst. Und durch die Nacht möchte ich sagen: bleib, bleib doch, komm wieder zurück. Das Sofa ist frei, die Badewanne auch und mein Bett erst recht. Ich habe sogar ein Kissen für dich, einen wärmenden Körper und einige Stunden ohne Fragen. Das ist doch, was wir alle so sehr brauchen: fragloses Glück, ab und zu, fragloses Beieinandersein hin und wieder. Die Antworten kommen ohnehin irgendwann von selbst, früher oder später. Was macht das schon für einen Unterschied?

Der Text "Ein flüchtiger Kuss der Nacht" behandelt die Momente der Nähe und die Sehnsucht nach bedingungslosem Glück und Vertrauen. Er zeigt, wie Vorsätze gebrochen werden und dabei etwas Wunderbares entsteht – ein intimer Moment der Verbindung und des stillen Einvernehmens. Das Lächeln, das aus den Augen strahlt, symbolisiert echte Emotionen und tiefe Zuneigung. Er beschreibt das Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit, das in der Vertrautheit eines gemeinsamen Raumes gefunden wird. Der Wunsch nach einem fraglosen Glück, ohne die Notwendigkeit, alles zu erklären, steht im Mittelpunkt. Diese fraglosen Momente der Nähe und des Beisammenseins bringen eine tiefe Zufriedenheit und Gelassenheit mit sich, die das Leben bereichern.

Neujahrswünsche:

Möge das neue Jahr dir viele solcher kostbaren Momente bringen – Momente des fraglosen Glücks und der tiefen Verbundenheit. Lass die Antworten von selbst kommen und geniesse die Gegenwart. Frohes neues Jahr!

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No. 7. 1 Advent

Advent

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weissen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.

Der Zauber des Advents

Du öffnest die Orangensaftflasche, giesst dir ein Glas ein und stellst sie zurück. Ich sage: „Danke, dass du fragst, aber ich habe noch.“ Ich ziehe meine Knie ans Kinn, fahre mit den Fingern durch mein Haar wie mit einem Kamm und schaue aus dem Fenster. Das Müllauto rollt über die Kreuzung, und der Mann mit dem grossen Hund schlendert wie jeden Tag um diese Zeit gemächlich zwischen den parkenden Autos entlang. Ansonsten ist es ruhig.

Es ist Adventszeit, und niemand scheint jetzt den Drang zu haben, die Welt zu verändern – das verschiebt man lieber ins neue Jahr. Und dann ist da das Grünzeug: Der Baum wird ausgesucht, gekauft, vorsichtig nach Hause gebracht, aufgestellt, gewässert und liebevoll geschmückt. Bald liegen die Geschenke darunter, der Baum erstrahlt im Licht und wird besungen, und inmitten all dieser Vorbereitungen entsteht eine warme, festliche Atmosphäre. Vielleicht kippt er später einmal um und wird wieder aufgerichtet – auch das gehört dazu. Nach den Feiertagen wird er dann entkleidet, abgebaut und schliesslich entsorgt – ebenso ein Teil des Rituals wie das Schmücken und Aufstellen.

„Wo wollen wir dieses Jahr eigentlich unseren Tannenbaum kaufen?“ frage ich lächelnd.

Ich wünsche euch von Herzen frohe Weihnachten und zahlreiche Momente voller Freude und Inspiration. Vielen Dank für eure wunderbare Unterstützung. Möge euer Weihnachtsfest erfüllt sein von Licht, Farben und Wärme.

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No. 7 Lösch mir die Augen aus

Lösch mir die Augen aus

Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füsse kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.


Eisiges Herz und Dunkle Nächte

Bier statt Fragen, Tequila statt Tränen. Wir zerbrechen nicht, nur das Herz wird uns kalt, wie ein Klumpen Eis in der Brust. Und du stehst da, wie angewurzelt, mal nicht davonlaufen, sondern leise beten, dass man das alles vielleicht nur träumt. Ein Bild brennt sich in meine Netzhaut ein und eine Narbe reisst auf, es blutet nicht, es eitert nur. Die Nacht verschlingt mich, frisst mich mit Haut und Haaren und spuckt bittere Galle aus. In dieser Stadt ist es einsam, nachts um halb zwei. Die Lichter lügen. Beton statt Ziegelsteine, eine Mauer aus einem Guss für mich und dein gefrorenes Meer. Wir fühlen uns schwer und schwerer angesichts der Leichtigkeit. Da kommen Dinge ans Licht, die keine Namen verdienen – nenn sie Dinge und reiss dich zusammen. Sammel dich vom Boden auf, zwischen den Kippen und den Pfützen und den vielen zertretenen Freuden liegt ein Stück Herz. Beinahe wäre ich daraufgetreten. Oh, es gehört mir, na sowas. Anschnallen, weitertanzen, die Füsse im Himmel, das Hirn unterm Arm und das Herz, das Herz...

(Seltsam, denke ich, wie Gedichte, obwohl sie willkürlich ausgewählt wurden, manchmal eine Art Gedankenlinie bilden. Wie sie Berührungspunkte schaffen, die ich dann versuche zu verbinden. Wie durch diese Verbindungen Bilder entstehen, manchmal dazu sogar eine Art Erkenntnis. Es drängt sich der Gedanke auf, dass eigentlich die Gedichte mich aussuchen und dann abwarten. Abwarten, um anzukommen und im besten Fall nicht nur mich zu berühren. Als wären sie Teil einer grossen Geschichte: Und keiner von uns jemals wieder allein. Sondern Teil eines Wissens, das immer schon da war, aber vergessen wurde.)

(Seit ich denken kann, faszinieren mich Augen. Ihre Komplexität und Ausdruckskraft haben mich immer wieder in ihren Bann gezogen. Dieses Bild habe ich mit Öl auf Papier gemalt und mit einem Spachtel bearbeitet. An diesem Werk habe ich regelmässig an vier Tagen gearbeitet, um die Tiefe und Lebendigkeit der Augen einzufangen. Jede Schicht Farbe und jeder Spachtelstrich war ein weiterer Schritt in die Welt der Emotionen und Geheimnisse, die Augen erzählen können.)

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No. 5 Magie

Magie

Aus unbeschreiblicher Verwandlung stammen
solche Gebilde-: Fühl! und glaub!
Wir leidens oft: zu Asche werden Flammen;
doch: in der Kunst: zur Flamme wird der Staub.

Hier ist Magie. In das Bereich des Zaubers
scheint das gemeine Wort hinaufgestuft...
und ist doch wirklich wie der Ruf des Taubers,
der nach der unsichtbaren Taube ruft.

Die Magie des Lebens

Vielleicht ist dieses Dahintreiben, dieses Aufstehen, Arbeiten und Freizeitgestalten ohne grosses Nachdenken, der eigentliche Normalzustand. Wenn dem so ist, dann habe ich meine Alltagssorgen und die versteckten Wunder, die man leicht übersieht, weil man den Blick stur geradeaus richtet und weder nach links noch nach rechts oder gar in den Himmel schaut, ganz gut im Griff. Dort oben gibt es derzeit ohnehin wenig zu sehen, bei all den Wolken und dem Grau.

Vielleicht ist das genau das, was ich momentan brauche – und dennoch wünsche ich mir insgeheim einen Wolkenbruch. Denn nach dem Regen kommt die Sonne, und ich gebe die Hoffnung nicht auf. Es ist die Magie des Lebens, die uns immer wieder überrascht und uns zeigt, dass nach jedem Sturm ein neuer Anfang wartet.

(Mein Aufruf zur Wertschätzung der geheimnisvollen Aspekte des Lebens ist eine Einladung, das Unerklärliche zu umarmen. In einer Welt, die von Logik und Vernunft dominiert wird, sollten wir die Magie des Unbekannten nicht vergessen. Diese rätselhaften Momente bereichern unser Leben und lassen uns staunen.)

PS:

Gestern verliess ich widerwillig das Haus und wurde sofort von einem fantastischen Himmel mit leuchtendem Blau und Grautönen überrascht. Meine Laune stieg schlagartig! Manchmal genügt eine kleine Überraschung draussen, um die Welt wieder schön zu finden. Auch Dürer lernte im Alter, das Einfache zu schätzen: „Als ich jung war, erstrebte ich Vielfalt und Neuheit; nun in meinem Alter habe ich begonnen, das natürliche Gesicht der Natur zu sehen...“

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