No. 14 Am Rande der Nacht
Am Rande der Nacht
Meine Stube und diese Weite,
wach über nachbetendem Land, –
ist Eines. Ich bin eine Saite,
über rauschende breite
Resonanzen gespannt.
Die Dinge sind Geigenleiber,
von murrendem Dunkel voll;
drin träumt das Weinen der Weiber,
drin rührt sich im Schlafe der Groll
ganzer Geschlechter...
Ich soll
silbern erzittern: dann wird
Alles unter mir leben,
und was in den Dingen irrt,
wird nach dem Lichte streben,
das von meinem tanzenden Tone,
um welchen der Himmel wellt,
durch schmale, schmachtende Spalten
in die alten
Abgründe ohne
Ende fällt
Zwischen Tag und Nacht
Wenn die Sonne untergeht, spüren wir das doppelte Gewicht und unsere Beine scheinen kaum noch zu tragen. Weder dich, noch deine Wunden oder deine Zweifel. Doch was macht das schon? Vom Zusammenbruch sind wir weit entfernt, so weit, dass am anderen Ende unserer Gedanken noch Mittag herrscht, während hier der Abend wie ein Einschlaflied über uns rollt. Wir sind weder nachtblind noch vom Tageslicht benommen, nur leicht verwirrt über die Tatsache, dass nichts uns aus der Bahn wirft.
In letzter Zeit kann ich nachts nicht einschlafen. Oft wird es 3 oder sogar 4 Uhr morgens, bevor ich endlich etwas Schlaf finde. Solange lese ich oder lausche dem Regen. Wenn es nicht regnet, was meistens der Fall ist, höre ich meinen Gedanken zu. Das ist nicht unbedingt leicht und auch nicht angenehm, aber ich werde immer besser darin, es auszuhalten.
Manchmal reise ich dabei in der Zeit vor und zurück, bis mir schwindelig wird. Ich sage mir, dass ich ein alter Mann bin, in der Hoffnung, dieser Satz bringt mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch er macht mich nur traurig. Die Ratlosigkeit, in der ich mich schlaflos verliere, berührt er nicht.
Ich dachte immer, alte Leute seien einverstanden damit, alt zu sein. Ich dachte, wenn ich überhaupt über alte Leute nachdachte, Alte seien einfach ganz und gar alte Leute. Doch das Alter ist eine Überraschung. Ja es überrascht mich immer wieder, plötzlich alt zu sein.
No. 12.1 Der Lesende
Der Lesende
Ich las schon lang. Seit dieser Nachmittag,
mit Regen rauschend, an den Fenstern lag.
Vom Winde draussen hörte ich nichts mehr:
mein Buch war schwer.
Ich sah ihm in die Blätter wie in Mienen,
die dunkel werden von Nachdenklichkeit,
und um mein Lesen staute sich die Zeit. -
Auf einmal sind die Seiten überschienen,
und statt der bangen Wortverworrenheit
steht: Abend, Abend... überall auf ihnen.
Ich schau noch nicht hinaus, und doch zerreissen
die langen Zeilen, und die Worte rollen
von ihren Fäden fort, wohin sie wollen...
Da weiss ich es: über den übervollen
glänzenden Gärten sind die Himmel weit;
die Sonne hat noch einmal kommen sollen. -
Und jetzt wird Sommernacht, soweit man sieht:
zu wenig Gruppen stellt sich das Verstreute,
dunkel, auf langen Wegen, gehn die Leute,
und seltsam weit, als ob es mehr bedeute,
hört man das Wenige, das noch geschieht.
Und wenn ich jetzt vom Buch die Augen hebe,
wird nichts befremdlich sein und alles gross.
Dort draussen ist, was ich hier drinnen lebe,
und hier und dort ist alles grenzenlos;
nur dass ich mich noch mehr damit verwebe,
wenn meine Blicke an die Dinge passen
und an die ernste Einfachheit der Massen, -
da wächst die Erde über sich hinaus.
Den ganzen Himmel scheint sie zu umfassen:
der erste Stern ist wie das letzte Haus.
Die verlorene Besinnlichkeit
Man verpasst es, unbemerkt. Diese Besinnlichkeit, das Runterkommen und mal nicht Rumwuseln, das Einkuscheln in eine Decke mit einer Kanne Tee und in einem Buch lesen, das In-die-Luft-gucken und einfach glücklich sein. Aufwachen und feststellen, dass die Zeit viel zu schnell vergeht zwischen unausgeschlafen Arbeit und totmüde ins Bett fallen, aufwachen und trotzdem weiterschlafen innendrin, nur zwischendurch mal die Augen aufmachen, wenn dir das Herz aufgeht für ein paar Stunden oder ein paar Minuten, plop, wie eine Flasche Wein und dann schnell daraus trinken so viel nur geht, bevor es sich leise mit einem Ziehen in der Brust wieder schliesst.
Am Rande der Nacht I
Ein neues Bild
Anfangs las ich widerwillig, doch bald konnte ich nicht mehr aufhören, wie bei einem Buch, das man erst liest, weil man es muss, und das einen plötzlich packt.
Ich hatte ein neues Bild gemalt. Es war das erste Werk, das ich unten rechts signierte, und ich stellte es im Shop ein. Nach drei Tagen wurde es von einer Käuferin erworben. Ich machte noch ein Foto davon, schlug es vorsichtig in Papier ein und brachte es zur Post.
Vier Wochen später fand ich in meinem Postfach eine vorsichtige Nachricht, die sich las wie ein leises Anklopfen an einer Tür, von der man nicht weiss, was sich dahinter verbirgt. Sie fragte, ob sie mir schreiben dürfe. Ich war unschlüssig, was ich antworten sollte, und schrieb schliesslich: Ja. Als ich am Abend nach Hause kam, fand ich eine neue Nachricht von ihr vor.
„Darf ich dir erzählen, was mir durch den Kopf geht, wenn ich das Bild sehe? Warum ich es unbedingt haben musste?“
Ich wollte ihr den Spass nicht verderben, tippte ein kurzes Ja und klickte die Nachricht weg. Ich war gerade ausreichend beschäftigt und hatte nicht die Musse, mich tiefer damit zu befassen. Wochenlang hörte ich nichts mehr von ihr. Dann kam eine neue Nachricht. Diesmal war sie mehrere Seiten lang. Sie schrieb von dem Bild, von erfüllten Wünschen, von Ideen, die sie abgehakt hatte, und von durchkreuzten Plänen. Von Hunger und Sehnsüchten. Von Farben, Hass, Wut, Trauer und vielen Gefühlen. Mit erbarmungsloser Offenheit.
Anfangs las ich widerwillig, doch bald konnte ich nicht mehr aufhören, wie bei einem Buch, das man erst liest, weil man es muss, und das einen plötzlich packt. Die Nachricht liess mich fassungslos zurück. Aber ich konnte ihr nicht antworten. Drei Wochen lang war ich danach damit beschäftigt, alles neu zu ordnen. Dann antwortete ich.
Die Monate vergingen, und bald schrieben wir uns schon ein Jahr lang. Unsere Leben waren wie ein Riesenrad, das sich immer weiter drehte: Wir stiegen ein und aus, doch kurz darauf stiegen wir immer wieder ein, auf eine neue Fahrt mit der Hoffnung auf eine neue Aussicht. Oft fehlte uns das Geld für Fahrkarten, also fuhren wir schwarz und zitterten nervös, dass niemand es bemerken würde. Wir standen an den Fenstern der Gondeln, sahen nach draussen und blickten lange auf den Horizont. Manchmal erzählten wir einander von der Aussicht, die doch immer die gleiche war und sich doch mit den Tages- und Jahreszeiten veränderte.
Das Jahr ging zu Ende und der Frühling nahte. Sie hatte Urlaub. Ich auch.
Die Strassenbeleuchtung erlosch gerade, als ich mich früh morgens in den Zug setzte. Allein drei Nachtigallen in einem Baum machen noch keinen Frühling, doch eine Ahnung vom Ende des Winters hing in der Morgendämmerung zwischen zwei Strassenzügen. Nach zwei Stunden stand ich vor einem hässlichen, ockergelben Hochhaus, das nur die Morgensonne in ein schönes Licht tauchen konnte. Ich stieg zwei Stufen zum Eingang hoch und läutete an der Haustür. Ein Summen ertönte, ich drückte und ging langsam die Stufen hinauf. Sie wohnte im zweiten Stock.
Sie stand schon in der Tür und war hübscher als auf den Handyfotos. Ich beobachtete ihre Mimik. Für einen winzigen Augenblick erkannte ich eine Irritation in ihrem Blick, sie sah mich noch einmal an. Eine kleine Enttäuschung lag zwischen uns auf der Fussmatte. Wie einen alten Schuh trat sie sie mit einer Fussbewegung zur Seite, bat mich herein, hängte meine Jacke an die Garderobe, goss Kaffee in zwei Becher und setzte sich zu mir an den Küchentisch. Und dann redeten wir. Redeten, redeten, redeten.
Diese Vertrautheit in der Fremde. Diese Verwirrung, jemanden zu sehen, eine Unbekannte, deren Innerstes man so gut kennt. Ich versuchte, alles, was ich aus ihren Nachrichten und den Telefonaten mit ihr wusste, zusammen mit ihrer Mimik, ihren Gesten, ihren Bewegungen, ihrem Körper, zu einem Bild zusammenzufügen. Ich hatte ein Kratzen im Hals, wenn ich schluckte.
Heute schreiben wir uns immer noch regelmässig. Sie ist verheiratet und hat ein Kind und erzählt mir von Zeit zu Zeit ihre Lebenserlebnisse.
No. 11 Die Welt, die monden ist
Die Welt, die monden ist
Vergiss, vergiss, und lass uns jetzt nur dies
erleben, wie die Sterne durch geklärten
Nachthimmel dringen, wie der Mond die Gärten
voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wie's
spiegelnder wird im Dunkeln; wie ein Schein
entsteht, ein weisser Schatten in dem Glanz
der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz
hinübertreten in die Welt hinein
die monden ist.
Der Kampf um Zeit
Fünf Stunden Schlaf sind genug, fünf Stunden Schlaf müssen genug sein. Nacht für Nacht, wenn du noch Zeit für das Leben haben willst. Mein Tag bräuchte 36 Stunden in diesen stressigen Wochen, in denen man mit allem jongliert und gelegentlich strauchelt. Das Leben ist keine Wellnessfarm und hat hin und wieder Eier aus Stahl, reintreten bringt nichts, du brichst dir nur die Zehen dabei. Durchhalten, weitermachen und ein bisschen in die Kamera grinsen. Sich auf Dinge freuen, als wäre Weihnachten nicht gerade erst vorbei. Im Atelier einschlafen mit offenen Augen, bis dich dein eigenes Schnarchen weckt. Scheiss auf das Bild, scheiss auf den Text - dein Glück hängt nicht an diesen Dingen. Fünf Stunden Schlaf sind genug im Tausch für das Ich.
"Nach der Erstellung der Karte 'Einsamkeit' wurde mir bewusst, dass ich emotional stark angeschlagen war. Daher verordnete ich mir selbst eine Art soziale Rehabilitation und besuchte zusammen mit meiner Frau und guten Freunden ein Museum, auch um neue Inspirationen zu sammeln. Man kann im Leben nicht zurück, aber ich hatte das starke Bedürfnis, ein bestimmtes Gefühl zurückzugewinnen. Dieses Gefühl hat sich mittlerweile manifestiert."
Ich habe den folgenden Text einige Tage nach dem Gespräch verfasst, um die Emotionen aus meiner Seele zu schreiben.
Am Ufer der Emme – Ein innerer Aufschrei
“Ich stehe direkt am Ufer der Emme, dort, wo sich das Wasser schlängelt. Kleine Wellen rollen aus dem Nichts heran. Es scheint, als könnte man sie leicht zurückdrängen. Ein wenig weisser Schaum bleibt, doch er vergeht schnell. Einige Vögel ziehen ihre Kreise und schreien. Die Bise weht kräftig. Der Duft des Emmenwassers steigt aus den Wellen empor. Die Sonne wird bald verschwinden. Ich friere ein wenig, denn es ist nun fast dunkel. Hinter den Sandsteinfelsen am nordwestlichen Horizont verblasst der letzte Rest des cremefarbenen Himmels. Ich sitze auf einem dieser dicken, rauen Steine.
Es ist angenehm hier. Ja, angenehm ist es auf jeden Fall. Ich nicke und schliesse meine Augen. Ich atme tief ein, öffne dann wieder die Augen und schaue.
Ein dunkler Horizont verbreitet Langeweile von Norden nach Westen. Ödnis kriecht an meinen Zehen empor. Ich sitze auf hartem Stein, meine Füsse sind schon eingeschlafen. Lichter aus den Häusern dringen ins Wasser und ertrinken in der Emme. Ein übler Geruch dringt in meinen Körper – es riecht nach Verwesung. Kleine, arrogante Wellen säuseln ans Ufer, und ich möchte ihnen ins Gesicht schlagen.
Ich bin voller Frust. Ich nehme etwas und zerschmettere es an einem Felsen.”
Und ich habe nach dem Museumsbesuch und den vielen Eindrücken und Gesprächen weitergemacht. Trotz der oben genannten Aussage "Scheiss auf das Bild" entstand ein Bild, inspiriert vom Gedicht und den Bildern im Museum.
No. 8 Aus der Trübe
Aus der Trübe
Aus der Trübe müder Überdruss
reisst, die wir einander bebend bringen,
uns die Botschaft. Welche? Wir verbringen -
Ach wann waren Worte diese Küsse?
Diese Küsse waren einmal Worte;
stark gesprochen an der Tür ins Freie
zwangen sie die Pforte.
Oder waren diese Küsse Schreie ..
Schreie auf so schönen Hügeln, wie sie
deine Brüste sind. Der Himmel schrie sie
in den Jugendjahren seiner Stürme.
Die Sprache der Küsse
„Ich trage ein Geheimnis in mir, das ich mit dir teilen möchte“, flüsterte ich. „Ich habe eine Botschaft für dich.“ Ihr Blick ruhte auf mir, ihre tiefen, grünen Augen suchten nach Antworten. „Welche Botschaft, mein Lieber?“ „Die Worte sind erschöpft“, gestand ich. „Sie können nicht mehr ausdrücken, was wir fühlen. Aber unsere Küsse – sie sind lebendig. Sie hallen wie Schreie über die Hügel und verbinden uns.“ Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie verstand, was ich meinte. Unsere Küsse waren unsere eigene Sprache, unsere Leidenschaft. Sie drückten mehr aus als Worte es je könnten. Gemeinsam standen wir unter dem alten Eichenbaum, unsere Lippen trafen sich, und die Welt verschwamm um uns herum. Wenn der Wind über die Hügel im Emmental strich, flüsterten wir uns unsere Liebe zu. Und wenn die Stürme tobten, schrien unsere Küsse lauter als je zuvor.
Rainer Maria Rilke, begann 1914 eine Liebesaffäre mit Lou Albert-Lasard, die bis 1916 dauerte. Während dieser Zeit entstanden zahlreiche Liebesgedichte, die Rilke an Lou richtete. Er schrieb etwa einhundert Gedichte, die er fortlaufend nummerierte und ihr mit dem Titel “Dir zur Feier” widmete. Obwohl die beiden vereinbarten, dass diese Gedichte zu ihren Lebzeiten nicht veröffentlicht werden sollten, sind 48 dieser Gedichte in ihrem Nachlass erhalten geblieben.
Das Gedicht "Aus der Trübe" ist ein eindrucksvolles Beispiel für Rilkes Fähigkeit, tiefgehende Emotionen und komplexe Bilder zu vermitteln. Es befasst sich mit den Themen Liebe, Verlangen und Kommunikation, und wie diese durch Zeit und Erfahrung transformiert werden. Rilkes Verwendung von Metaphern und Symbolen lässt die Worte lebendig werden und schafft eine Verbindung zwischen den Lesern und den beschriebenen Gefühlen.
Das Bild fand seine Inspiration in einem Brief und einem Gedicht, die Rilke an Lou schrieb. Der Text wiederum entstand aus einer lebhaften Diskussion über das Küssen, das niemals vernachlässigt werden sollte.
No. 7. 1 Advent
Advent
Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weissen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
Der Zauber des Advents
Du öffnest die Orangensaftflasche, giesst dir ein Glas ein und stellst sie zurück. Ich sage: „Danke, dass du fragst, aber ich habe noch.“ Ich ziehe meine Knie ans Kinn, fahre mit den Fingern durch mein Haar wie mit einem Kamm und schaue aus dem Fenster. Das Müllauto rollt über die Kreuzung, und der Mann mit dem grossen Hund schlendert wie jeden Tag um diese Zeit gemächlich zwischen den parkenden Autos entlang. Ansonsten ist es ruhig.
Es ist Adventszeit, und niemand scheint jetzt den Drang zu haben, die Welt zu verändern – das verschiebt man lieber ins neue Jahr. Und dann ist da das Grünzeug: Der Baum wird ausgesucht, gekauft, vorsichtig nach Hause gebracht, aufgestellt, gewässert und liebevoll geschmückt. Bald liegen die Geschenke darunter, der Baum erstrahlt im Licht und wird besungen, und inmitten all dieser Vorbereitungen entsteht eine warme, festliche Atmosphäre. Vielleicht kippt er später einmal um und wird wieder aufgerichtet – auch das gehört dazu. Nach den Feiertagen wird er dann entkleidet, abgebaut und schliesslich entsorgt – ebenso ein Teil des Rituals wie das Schmücken und Aufstellen.
„Wo wollen wir dieses Jahr eigentlich unseren Tannenbaum kaufen?“ frage ich lächelnd.
Ich wünsche euch von Herzen frohe Weihnachten und zahlreiche Momente voller Freude und Inspiration. Vielen Dank für eure wunderbare Unterstützung. Möge euer Weihnachtsfest erfüllt sein von Licht, Farben und Wärme.
No. 7 Lösch mir die Augen aus
Lösch mir die Augen aus
Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füsse kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.
Eisiges Herz und Dunkle Nächte
Bier statt Fragen, Tequila statt Tränen. Wir zerbrechen nicht, nur das Herz wird uns kalt, wie ein Klumpen Eis in der Brust. Und du stehst da, wie angewurzelt, mal nicht davonlaufen, sondern leise beten, dass man das alles vielleicht nur träumt. Ein Bild brennt sich in meine Netzhaut ein und eine Narbe reisst auf, es blutet nicht, es eitert nur. Die Nacht verschlingt mich, frisst mich mit Haut und Haaren und spuckt bittere Galle aus. In dieser Stadt ist es einsam, nachts um halb zwei. Die Lichter lügen. Beton statt Ziegelsteine, eine Mauer aus einem Guss für mich und dein gefrorenes Meer. Wir fühlen uns schwer und schwerer angesichts der Leichtigkeit. Da kommen Dinge ans Licht, die keine Namen verdienen – nenn sie Dinge und reiss dich zusammen. Sammel dich vom Boden auf, zwischen den Kippen und den Pfützen und den vielen zertretenen Freuden liegt ein Stück Herz. Beinahe wäre ich daraufgetreten. Oh, es gehört mir, na sowas. Anschnallen, weitertanzen, die Füsse im Himmel, das Hirn unterm Arm und das Herz, das Herz...
(Seltsam, denke ich, wie Gedichte, obwohl sie willkürlich ausgewählt wurden, manchmal eine Art Gedankenlinie bilden. Wie sie Berührungspunkte schaffen, die ich dann versuche zu verbinden. Wie durch diese Verbindungen Bilder entstehen, manchmal dazu sogar eine Art Erkenntnis. Es drängt sich der Gedanke auf, dass eigentlich die Gedichte mich aussuchen und dann abwarten. Abwarten, um anzukommen und im besten Fall nicht nur mich zu berühren. Als wären sie Teil einer grossen Geschichte: Und keiner von uns jemals wieder allein. Sondern Teil eines Wissens, das immer schon da war, aber vergessen wurde.)
(Seit ich denken kann, faszinieren mich Augen. Ihre Komplexität und Ausdruckskraft haben mich immer wieder in ihren Bann gezogen. Dieses Bild habe ich mit Öl auf Papier gemalt und mit einem Spachtel bearbeitet. An diesem Werk habe ich regelmässig an vier Tagen gearbeitet, um die Tiefe und Lebendigkeit der Augen einzufangen. Jede Schicht Farbe und jeder Spachtelstrich war ein weiterer Schritt in die Welt der Emotionen und Geheimnisse, die Augen erzählen können.)