No. 25 O ihr zarten Anfänge

O ihr zarten Anfänge
(aus: Sonette an Orpheus II, 12)

O ihr zarten Anfänge,
ihr Morgenträume nah am Erwachen —
wie wir euch lieben und scheuen zugleich!
Denn da noch alles möglich scheint,
und jedes Lächeln eine Richtung ist,
beginnt das Leben zu tanzen
im Takt des unsichtbaren Mutes.


Ein anderer Morgen

Du erwachst und etwas ist anders.

Nicht dramatisch auf den ersten Blick, eher wie ein Raum, den du kennst, in dem jedoch die Möbel verrückt wurden. Du blinzelst, öffnest die Augen, schliesst sie wieder und merkst: Es bleibt. Dieses Neue. Dieses Noch-nicht-Verstandene.

Zuerst denkst du: Es wird schon. Vielleicht nur ungewohnt, ein bisschen schief im Gefühl. Doch während du dem Morgen zuhörst; dem leisen Summen der Welt, die draussen einfach weiterläuft, kommt die ruhigere Erkenntnis: Diesmal genügt kein Schulterzucken. Da hat sich wirklich etwas in dir verschoben, und mit dir die Perspektive auf alles ringsum.

Das ist nicht nur Verlust. Es ist auch Öffnung.

Du musst nichts aufhalten und nichts übers Knie brechen. Nimm dir Zeit, das Ausmass zu begreifen, nicht mit einem gehetzten „Wird schon irgendwie“, sondern mit einem tiefen Atemzug, einem ehrlichen „Oha… so ist es jetzt.“

Und dann, Schritt für Schritt: aufstehen, Tee kochen, ein Fenster öffnen. Spüren, was trägt. Kleine Routinen wiederfinden, Neues freundlich anschauen. Kraft sammeln und Mut fassen dürfen nebeneinander stehen. Heute muss nichts fertig sein. Es reicht, da zu sein und zu merken, dass du mit jedem Atemzug ein Stück mehr in dieser veränderten Welt ankommst.

Anfang im Innersten

Ich bin nicht am Ziel, ich bin Ursprung.
Ich trage, was kommen will,
nicht sichtbar, und doch vollkommen da.
In mir wächst ein Morgen, das seinen eigenen Herzschlag kennt.

Ich stehe hier, nackt wie die Wahrheit,
durchleuchtet von Licht, gehalten vom Moment.
Was ich bin, beginnt tiefer als der Blick reicht.
Und endet nicht bei mir.

Ich bin Anfang.

Im Innersten.


Zurück
Zurück

No. 26 Du gingst

Weiter
Weiter

No. 24 Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort