No. 18 Du musst das Leben nicht verstehen
Du musst das Leben nicht verstehen
Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.
Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
Zwischen Leichtigkeit und Last
Tag für Tag wandere ich durch die Landschaften des Denkens, Gebirge und Tiefebenen gleichermassen. Worte liegen wie Steine auf meinem Weg. Ich steige über die leichten, um die schwereren zu erreichen, stolpere über die Wurzeln des Unausgesprochenen und ringe mit den Hindernissen des Unwegsamen. Manche Worte halte ich für einen Moment fest, sie scheinen zu schön, zu vollkommen, um sie nicht mit mir zu nehmen, doch sie entziehen sich meiner Hand. Andere Worte, die ich kritisch betrachte, verwirft mein Geist, und dennoch schleichen sie sich, wie von einer inneren Kraft getrieben, immer wieder in meinen Rucksack zurück.
Dieser Rucksack wird schwerer, mit jedem Schritt. Die Frage drängt sich auf: Soll ich ihn entleeren, mich von altem Ballast trennen, um weiterzugehen, oder sollte ich innehalten und die Last akzeptieren, sie zu einem Teil meines Seins machen? So wie jede Entscheidung ein Risiko birgt, birgt jeder Weg die Möglichkeit des Abgrunds. Doch bleibt man auf Normalnull, wird man niemals die Spannung des Seiltanzes erfahren, eine Balance zwischen Festhalten und Loslassen.
Wir warten nicht mehr, das Warten haben wir aufgegeben, lange schon, zu lange, um sagen zu können: nur ein Weilchen. Ein Weilchen, ein kleines bisschen nur, das war früher einmal, als wir noch dachten, dass das alles schnell wieder vorbei sein wird, dass es nur mal kurz eine Durststrecke ist, eine kurze Zeit, die wir uns vertreiben können mit Sommer und Sonne, mit Wind im Haar und Kuchen im Bauch, einen Lidschlag lang eben mal nicht im Höhenflug schweben. Mit den Tagen und Nächten wurden unsere Schritte schwerer und schwerer, die Füsse immer mehr zu Beton und die Gedanken erst recht. Und eines Morgens dann wachten wir auf und stellten fest, dass uns etwas an den Boden gekettet hat, dass uns etwas das Fliegen verweigerte, das Schweben und Taumeln und Loslassen, eines grauen Morgens kam mit dem Aufwachen die Erkenntnis. Oha, dachte ich, oha – während draussen eine Meise sang und ich die Hoffnung nicht aufgab.