No. 21 Harvest Moon - Die Welt die monden ist

Die Welt die monden ist

Vergiss, vergiss, und lass uns jetzt nur dies
erleben, wie die Sterne durch geklärten
Nachthimmel dringen, wie der Mond die Gärten
voll übersteigt. Wir fühlten längst schon, wies
spiegelnder wird im Dunkeln; wie ein Schein
entsteht, ein weisser Schatten in dem Glanz
der Dunkelheit. Nun aber lass uns ganz
hinübertreten in die Welt hinein
die monden ist.

Mondnacht

Weg in den Garten, tief wie ein langes Getränke,
leise im weichen Gezweig ein entgehender Schwung.
Oh und der Mond, der Mond, fast blühen die Bänke
von seiner zögernden Näherung.

Stille, wie drängt sie. Bist du jetzt oben erwacht?
Sternig und fühlend steht dir das Fenster entgegen.
Hände der Winde verlegen
an dein nahes Gesicht die entlegenste Nacht.

Zwischen Nacht und Morgen

Ohne genau zu wissen, welche Assoziationskette mich hierher geführt hat, taucht plötzlich eine Erinnerung auf: Christa und ich, ausgestreckt im Gras nach einer durchfeierten Nacht. Schwitzend, durstig, noch immer von der Musik durchdrungen. Wir schliefen, wachten auf und bahnten uns langsam den Weg nach Hause, vorbei am Gymnasium.

Ein wenig taumelnd, ungeschützt in der Hitze, aber durch den Schlaf erstarkt. Stark genug. Mit nur einem Ziel: nach Hause. Den Tag in Angriff nehmen. Die Müdigkeit für den Moment niederkämpfen. Erst mal etwas trinken, erst mal sehen, wie viel Geld vom Abend noch übrig ist.

Jetzt erscheint mir das wie die Verkörperung von Sorglosigkeit, von Kindlichkeit. Wie frei sich das anfühlte. Die Euphorie beim Tanzen, das langsame Ausschalten des Denkens. Kein Überlegen, kein Über-Ich, kein Urteilen, keine Vernunft.

Nur der Moment.

Und wie schön es ist, sich daran zu erinnern. Euphorisch war ich, ja. Begeistert, berauscht, durchtränkt von Glücksmomenten, einfach geniessend.

Ich hatte das kleine Restaurant geliebt. Den Duft nach Kaffee am Morgen, das Klirren der Gläser, das leise Kommen und Gehen der Gäste. Sogar das Brummen des Kühlschranks hatte etwas Vertrautes. Der Mond – unsichtbar und doch spürbar – war immer mit dabei.

Ich war fast jeden Abend dort. Dann veränderte sich etwas. Kein grosser Moment, kein Auslöser, nur ein leiser Impuls. Ich ging weiter, bog ab, liess das Gewohnte hinter mir. Plötzlich war alles greller, lauter, schneller. Der Zauber war verschwunden. Stattdessen: klare Konturen, rohe Wirklichkeit.

Die Entfernung geschah schleichend, aber sie war echt. Die Menschen dort, müde, still, tapfer. Und ich? Ich blieb, wer ich war. Nur ohne die Wärme, die das Restaurant mir einmal gegeben hatte.

Weiterlesen

No. 20 Eros (Special)

Eros

Masken! Masken! Dass man Eros blende.
Wer erträgt sein strahlendes Gesicht,
wenn er wie die Sommersonnenwende
frühlingliches Vorspiel unterbricht.

Wie es unversehens im Geplauder
anders wird und ernsthaft...Etwas schrie...
Und er wirft den namenlosen Schauder
wie ein Tempelinnres über sie.

Oh verloren, plötzlich, oh verloren!
Göttliche umarmen schnell.
Leben wand sich, Schicksal ward geboren.
Und im Innern weint ein Quell


Die Uhr tickt, Liebste

Früher wollte ich nichts wissen.
Jetzt, älter geworden, höre ich die Uhr laut ticken.
Tage und Jahre vergehen wie Liebesbriefe per Luftpost,
gesendet an eine Geliebte,
die auf einer sturmumtosten Insel auf Schönwetter wartet,
während am Ufer die zarten Annäherungen
salzverzehrt vergehen.

Die Sonnenbrille beschlägt
im heissen Atem der Unverbindlichkeit,
und wir lachen,
bis uns die Realität die Kehle zuschnürt.

Ich dachte, Alltag sei grau.
Dass er grau sein müsse.
Doch Alltag ist das, was uns trägt,
wenn man das Nichtwissenwollen eintauscht
gegen die stille Umarmung eines Eingeständnisses:
zu einem Menschen,
so fern wie die Sonne an einem Gewittertag
und so nah wie Regentropfen auf heisser Haut.

Lass mich wissen, Liebste.
Damit ich nicht dumm sterben muss,
vor Sehnsucht.

Nach längerer Pause haben Michael und ich unsere künstlerische Zusammenarbeit erneut aufgenommen.Eine Partnerschaft, die vor über einem Jahrzehnt begann und auch in  Ausstellungen und Publikationen ihren Ausdruck gefunden hat. Ausgehend von Rilkes Gedicht Eros entstand diese neue Fotoserie, in der sich fotografische Inszenierung und Michaels unverwechselbare Handschrift der Weiterbearbeitung, das, was wir Photopaint nennen, zu einer gemeinsamen Bildsprache verdichten. Der kreative Dialog, der daraus entsteht, ist für mich immer wieder eine inspirierende und bereichernde Erfahrung. Danke, Michael.

Immer wieder, ob wir der Liebe Landschaft auch kennen,

und den kleinen Kirchhof mit seinen klagenden Namen

und die furchtbar verschweigende Schlucht, in welcher die andern

enden: immer wieder gehn wir zu zweien hinaus

unter die alten Bäume, lagern uns immer wieder

zwischen die Blumen, gegenüber dem Himmel.

Weiterlesen